Wenn sich Vorarlberg bis zum Jahr 2035 zum chancenreichsten Lebensraum für Kinder entwickeln soll, dann spielt die Gemeindeebene eine spezielle Rolle. Fast die Hälfte der Vorarlberger Gemeinden gilt bereits als sehr familienfreundlich und ist mit „familieplus“ zertifiziert. Dazu kommen 38 Gemeinden, die „Vorarlberg lässt kein Kind zurück“ in ihre Leitlinien aufgenommen haben. Die Initiative soll nun aufgrund der Marke Vorarlberg im ganzen Land ausgerollt werden. Wir haben in einer Gemeinde genauer nachgefragt, was es damit auf sich hat.
„Kinderfreundlichkeit ist längst kein Soft-Thema mehr. Als Volkswirtin bin ich überzeugt: dies ist ein knallharter Standortfaktor“, so die Dornbirner Bürgermeisterin. „Wer Chancengerechtigkeit für Kinder anbieten kann, punktet nicht nur bei Familien, sondern auch bei Unternehmen und Fachkräften.“ Seit sie mit 25 Jahren begonnen hat, sich in der Dornbirner Stadtpolitik zu engagieren, hat sich die Haltung gegenüber diesem Thema in der Gemeinde stark verändert. „Wir waren 2002 die erste österreichische Gemeinde mit einem Familienleitbild. ‚Familie‘ galt damals eher noch als Nischenthema. Ich bin sehr froh, dass es nun mehr ins Zentrum gerückt ist“, so Kaufmann.
Nach gut 20 Jahren Aufbauarbeit betreffend Familienfreundlichkeit, kombiniert mit einem professionellen Betriebsansiedelungsmanagement, blickt sie auf eine Fülle von kleineren und größeren Angeboten, die Kindern und Familien zugutekommen. „Es geht dabei aber nicht darum, 1000 verschiedene Einrichtungen aufzubauen, sondern um eine Haltungsänderung.“ Die Perspektive des Kindes müsse bei jedem Projekt mitbedacht werden, so können Präventionsketten entstehen, die bewirken, dass Kinder gesund aufwachsen. „Es gibt dabei nicht die eine Maßnahme, die Chancengerechtigkeit herstellt“, so Kaufmann, „es ist eine Fülle von vernetzten Angeboten, bei jeder Familie kann ein anderer Ansatz passen.“
Was wirklich wirkt
Zu dieser Fülle von Angeboten zählen auch sehr kleine, beinah unscheinbare Dinge, die aber enorme Wirksamkeit besitzen. So haben jene Mitarbeiter, die im Rathaus Kunden betreuen, Sensibilisierungsschulungen erhalten. Anhand eines Gesprächsleitfadens hören sie gut hin, wo der Bedarf der jeweiligen Familie sein könnte. Beispielsweise beim Abholen des Babystartpakets ist diese wertschätzende Haltung gefragt. Aber auch „Auf dem Weg zur guten Nachbarschaft“ wirkt ohne großes Aufsehen, es gibt Familienlots*innen, Austauschmöglichkeiten und natürlich auch Einrichtungen, wie den Familientreffpunkt.
Insgesamt leben gut 107 verschiedene Nationen in der 50.000-Einwohner-Stadt. Mit Stolz betont die Bürgermeisterin, dass diese Vielfalt auch dank einer gewissen Unvoreingenommenheit möglich ist. „Wenn man neugierig ist, andere Dinge kennenzulernen, dann bleibt man auch tolerant“, so Kaufmann.
Ihre eigenen Chancen aus früheren Jahren? Da fällt ihr als erstes das Pfadfinderlager ein, das sie mit 16 Jahren leiten durfte. „Das war aus heutiger Sicht schon sehr mutig.“ Gleichzeitig erfährt sie ihre eigenen vier Kinder immer wieder als gesunde „Erdung“ nach strategischen Fragestellungen in nationalen und internationalen Gremien. „Ich denke, ich habe von meiner eigenen Familie bisher am meisten gelernt, zum Beispiel zu spüren, was die Leute brauchen.“
Foto: Alexandra Folie, Wirtschafts-Standort Vorarlberg GmbH (WISTO)