Marke Vorarlberg: Frau Dreher, Sie unterrichten unter anderem Digitale Grundbildung. Was kann man sich darunter vorstellen?
Dreher: Wie alle Klassenlehrer*innen unterrichte ich fast alle Fächer. Themen aus der Digitalen Bildung finden sich in den verschiedenen Fächerlehrplänen und sind durch den Grundsatzerlass „Medienerziehung“ geregelt. Dieser definiert Medienerziehung als ein Querschnittthema, ein Unterrichtsprinzip, das in allen Fächern berücksichtigt werden soll. Und ganz ehrlich – im handlungsorientierten, offenen Unterricht verschwimmen die Fächergrenzen sowieso immer wieder.
Marke Vorarlberg: Wie setzen Sie digitale Geräte im Unterricht ein und was ist der Vorteil?
Dreher: In der Klasse von meiner Kollegin und mir sind iPads ganz selbstverständliche Werkzeuge, die – wie etwa Papier und Stifte – eigentlich fast täglich mal mehr, mal weniger zum Einsatz kommen. Das ist für uns Lehrer*innen eine enorme Erleichterung. Ein wesentlicher Faktor für den Lernerfolg ist eine direkte Rückmeldung an unsere Schüler*innen – was bei 20 Kindern nicht immer möglich ist. Geeignete digitale Lernprogramme können dies für uns übernehmen, wenn wir gerade mit anderen Kindern arbeiten. Jede Schülerin und jeder Schüler kann so im eigenen Tempo Inhalte für sich erschließen und Übungsstrecken meistern.
Aber mindestens genauso wichtig ist uns, dass die Kinder einen kreativen, aktiven und selbstwirksamen Umgang mit digitalen Geräten lernen.
Marke Vorarlberg: Viele Kinder würden am liebsten den ganzen Tag vor digitalen Geräten sitzen. Jetzt könnte man sich die Frage stellen, warum das im Volksschulalter im Unterricht zusätzlich sein muss.
Dreher: Digitale Geräte gehören nun einfach einmal zur Lebenswelt der Kinder – ob wir das nun gut finden oder nicht. Praktisch alle Kinder haben Zugang ins Internet und Verbote führen nur dazu, dass der Reiz von digitalen Medien steigt und die Kinder und Jugendlichen sich heimlich die digitale Welt erschließen, mit allen Problemen, die das mit sich bringt.
Und obwohl praktisch alle Jugendlichen digitale Geräte nützen, gibt es etwa mit Ende der Sekundarstufe 1 eine Kluft, die in der Art der Nutzung liegt. Da gibt es zum einen die Teenies, die Medien aktiv nutzen, kompetent mit Informationen umzugehen wissen und sich sicher in dieser neuen Öffentlichkeit bewegen – und jene, die in passiven Nutzugsweisen wie Unterhaltungsanwendungen verharren.
Und darum führen wir die Kinder schon vor diesem Alter an eine kreative und aktive Nutzung der Geräte heran – im Deutschunterricht werden Aufsätze als Drehbücher mit verschiedenen Techniken verfilmt, wir erstellen eBooks zu Themen aus dem Sachunterricht, wir Programmieren eigene kleine Spiele oder Einplatinencomputer, die wir dann in Werken mit Alltagsmaterialien oder auch Konstruktionsspielzeugen zu Produkten wie Instrumenten oder Fahrzeugen umbauen und wir bauen Roboter, die dann mit viel Einsatz programmiert werden.
Marke Vorarlberg: Haben Sie schon das eine oder andere digitale Talent entdeckt, das vielleicht in anderen Schulfächern weniger aufgefallen ist?
Dreher: Oh ja, das ist einer der Hauptgründe, warum mir die Digitale Bildung so viel Freude bereitet! Die Rollen verschieben dabei – auf verschiedenste Weisen. Plötzlich können auch Kinder, die in anderen Gegenständen oft zu kämpfen haben, glänzen, sind stolz auf sich und zeigen unglaubliche Ausdauer.
Marke Vorarlberg: Interessieren sich Mädchen genauso dafür wie Jungs?
Dreher: Ja, die Geschlechterrollen brechen hier immer wieder auf. Ich habe schon mit zahlreichen Klassen gearbeitet und die Mädchen sind genauso interessiert wie die Jungs – auch, wenn es um Themen wie Robotik oder Mechatronik geht. In diesem jungen Alter kommen sie noch gar nicht auf die Idee, dass das nichts für Mädels sein könnte.
Marke Vorarlberg: Ändert sich in diesem Unterricht etwas an Ihrer Rolle als Lehrerin?
Dreher: Absolut! Die Kinder machen sich etwa beim Coden oder beim Erproben einer neuen App völlig ohne Berührungsängste oder der Angst vor Fehlern an Aufgaben heran. Während ich also oft noch nachlese oder grüble, wie wir ein Problem aus dem Weg räumen könnten, haben die Kinder herumprobiert und sind längst auf eine Lösung gekommen. Und glauben Sie mir, für die Kinder ist es eine tolle Erfahrung und stärkt das Selbstbewusstsein, wenn sie mir ihre Lösung dann präsentieren können oder mir weiterhelfen können. Plötzlich bin ich nicht mehr Frau Dreher, die ihnen etwas beibringen will, sondern Frau Dreher, die mit ihnen gemeinsam ein Problem lösen möchte.
Marke Vorarlberg: Wann ist für Sie ein Schuljahr der Digitalen Grundbildung gut gelungen, an welchen Kriterien messen Sie den Erfolg Ihres pädagogischen Schaffens?
Dreher: Seit ich digitale Medien im Unterricht zum Thema mache, kommen Schüler*innen immer wieder mit Problemen zu mir – etwa, wenn sie über WhatsApp oder einen anderen Messenger belästigt werden oder etwas, das sie online gesehen haben sie belastet. Dieses Vertrauen bestätigt mich weiterzumachen. Und wenn einer meiner kleinen – sorry, großen – Scratcher mich ein in der Freizeit liebevoll programmiertes Spiel spielen lässt, finde ich da natürlich großartig.
Danke für das Gespräch!