Räume beleben – individuell und inklusiv
Die »Marke Vorarlberg« war zu Besuch in der Volksschule Hohenems Schwefel und tauschte sich darüber aus, wie Vorarlberg durch individuelle Förderung seinem selbstgesteckten Weg des »chancenreichsten Lebensraums« näherkommt.
Das Land Vorarlberg steckt sich bekanntlich das Ziel, bis 2035 chancenreichster Lebensraum für Kinder zu werden. Zur Koordination dieser Vision wurde die »Marke Vorarlberg« ins Leben gerufen. Um diesem Ziel näher zu kommen, wurden mehrere Chancenfelder definiert. Beispielsweise das »Fundament Bildung« oder der »Mensch im Mittelpunkt«.
Wichtige Voraussetzungen. Doch welche Rahmenbedingungen braucht es, um den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Bildung als Fundamt für Chancenreichtum zu ermöglichen? Herausforderungen, über die es in den Sozialwissenschaften unterschiedlichste Theorien gibt. Was aber zählt, ist die Praxis.
Daher hat die »Marke Vorarlberg« vor zwei Jahren die Veranstaltungsreihe »Wissen verbindet« ins Leben gerufen. Denn in Vorarlberg gibt es schon zahlreiche Orte, an denen Chancenreichtum gelebt wird. Wie so oft, muss das Rad nicht neu erfunden werden, sondern nur voneinander gelernt. Die diesjährige Auftaktveranstaltung der Reihe, die 2023 unter dem Motto »wir beleben Räume« steht, führte die Marke in die Volksschule Hohenems Schwefel. Neben einem Einblick in das pädagogische Konzept der Schule gab es Informationen zum Thema »Essen an Schulen«.
Ein elementarer Akteur in gemeinsamen Entwicklungen und Prozessen ist der Raum. Die Gestaltung des Ortes, die Architektur des Gebäudes. Architektur ist der komplexeste und dauerhafteste Ausdruck des kulturellen Bewusstseins einer Gesellschaft. In ihr zeigen sich Werte und Haltungen. Raum kann Entwicklungen fördern oder behindern. Eine bewusste Auseinandersetzung mit der Gestaltung von Bildungseinrichtungen sind daher einer der Schlüssel für gelingenden Chancenreichtum.
Wenn heute Schulen gebaut werden, haben sie nichts mehr gemein mit den kasernenartigen Zuchtanstalten des letzten Jahrhunderts: lange Flure mit zahlreichen genormten Klassenräumen, die kein anderes Lernsetting erlauben als Frontalunterricht. Moderne Schulen sind offener, freundlicher, großzügiger. Und dennoch. Viel zu selten baut die Architektur auf einem klaren pädagogischen Konzept. Um Haltung sichtbar zu machen, braucht es erst mal eine.
Die Volksschule Hohenems Schwefel wird als inklusive Schule mit angeschlossenen Sonderschulklassen geführt. 2020 eröffnet, wird sie mittlerweile von rund 250 Schülerinnen und Schüler besucht. In vier aneinandergrenzenden »Lernhäusern« werden Kinder mit unterschiedlichsten Bedürfnissen inklusiv unterrichtet. Der gesamte Bauprozess richtete sich konsequent am zuvor erarbeiteten pädagogischen Konzept aus. Ein Weg, der Schule machen sollte.
Daher lud die »Marke Vorarlberg« Interessierte zu einem Besuch nach Hohenems, um von Direktor Christof Jagg mehr über das Konzept der Schule, aber vor allem auch den Weg dorthin zu erfahren. Aus der Haltung eines inklusiven, möglichst individuellen Unterrichts entstand ein pädagogisches Konzept, lang bevor die Stadt Hohenems mit dem Bau der Schule begann.
Das Konzept konnte daher nicht nur für die Ausgestaltung der Schule, sondern bereits als Basis für die Architekturausschreibung herangezogen werden. Das pädagogische Ziel stand über dem »großen Wurf« des Architekten. Nicht, dass dabei kein ästhetischer Baukörper entstanden wäre. Ganz im Gegenteil. Durch die Vorgaben konnte die Architektur genau jene Bereiche hervorheben, die im Alltag besonders wichtig sind.
In den 96 Gemeinden Vorarlbergs werden jährlich Schulen und Kindergärten umgebaut, erweitert, zusammengelegt oder ganz neu errichtet. Der permanente Ausbau der Kinderbetreuung lässt den Raumbedarf in den kommenden Jahren massiv ansteigen.
Bauherren dieser Gebäude sind in der Regel die Gemeinden. Für viele Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister ist es das erste (und oft einzige) Mal, dass sie einer solchen Aufgabe gegenüberstehen. Wie wertvoll wäre es, landesweit auf Kompetenzen wie jene von Direktor Christof Jagg zurückgreifen zu können. Vorarlberg als chancenreiche »Marke« zu führen, bedeutet daher auch, Entscheiderinnen und Entscheider in Veranstaltungen wie dieser zu vernetzen um voneinander zu lernen.
Eine schriftliche Reflexion zur Veranstaltung von Edgar Eller (Sentum).
Text: Edgar Eller (Sentum)
Fotos: Wirtschafts-Standort Vorarlberg GmbH (WISTO) by Alexandra Folie